MORBUS HODGKINHodgkin-Krankheit [nach dem engl. Pathologen Thomas Hodgkin, * 1789, + 1866], die Lymphogranulomatose StartseiteE-Mail an mich - axel@hodgkin-info.deLexikon
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aus G.O.L.F.-TIME 1/2001


Ein Jahr Hölle
von Michael Lesch, aufgezeichnet
von Oskar Brunnthaler

Schicksal. Schauspieler Michael Lesch ("Der Fahnder") spielte vergangenes Jahr in seinem eigenen Film die Hauptrolle - der wohl schwierigste Part in seinem Leben Die Vorgeschichte: Bei den Vila Vita Open im November 1999 belegte er in der Netto Klasse A den 2. Platz Genau ein Jahr später stand er bei den Vila Vita Open wieder am Start - und landete abermals auf dem 2. Platz. Ein wahres Wunder. Denn was sich in diesem Jahr bei den Leschs ereignete, steht in keinem Drehbuch Ende '99 hatte Michael Lesch, damals 43 einen körperlichen Zusammenbruch. Mit dem Notarzt ging's in die Klinik, die niederschmetternde Diagnose: "Morbus Hodgkin", zu Deutsch Lymphdrüsenkrebs! Was der in Köln lebende Schauspieler und seine Frau Christina - geheiratet wurde Ende Dezember in der Dominikanischen Republik - in diesem Jahr durchgemacht haben und wie sie mit der Krankheit fertig geworden sind, das schildert Michael Lesch, Hcp 8, hier in G.O.L.F.-TIME.

 

Freitag, 19. November 1999 - ein Tag, den ich in meinem Leben niemals mehr vergesse werde. Christina und ich fuhren an diesem Vormittag, einem der wenigen drehfreien Tage in diesem Jahr, aufs Standesamt nach Solingen, um die notwendigen Papiere für unsere Hochzeit am 27. Dezember 1999 in Palm Beach zu besorgen.

Michael Lesch
Michael Lesch vor seiner
Erkrankung

Weil ich seit einer Woche an einer Stimmbandentzündung litt, fuhren wir anschließend weiter zu meinem Freund, dem Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Gerhard Onnebrink nach Schwerte. Die Symptome hatten sich weiter verschlechtert. Er verordnete mir absolute Bettruhe und verschrieb mir noch einmal Antibiotika mit der Auflage des absoluten Sprechverbotes. Am Nachmittag, als wir nach Köln zurückkehrten, kam es zum körperlichen Zusammenbruch. Schüttelfrostanfälle, Fieberschübe bis 41 Grad.

Der herbeigerufene Notarzt wies mich sofort in das Krankenhaus ein, um einen kompletten Checkup durchzuführen.

Der Verdacht. Am nächsten Morgen betrat Prof. Schönemann, Chefarzt der Internistischen Abteilung, das Krankenzimmer, Er teilte mir mit, dass ich an einer verschleppten Lungenentzündung leiden würde, die man innerhalb der nächsten vier bis fünf Tage in den Griff bekommen würde. Aber da sei noch etwas: Ein junger Kollege hätte auf meinem Röntgenbild Lymphknoten in einer Größe und Anzahl entdeckt, die dort nicht hingehörten. Auf meine Frage, was dies denn zu bedeuten hätte, sagte mir Prof. Schönemann, ich hätte Lymphdrüsenkrebs. Genauer gesagt Morbus Hodgkin.

Der Schock saß tief. Woran ich mich aber heute noch genau erinnere: Mir fiel sofort Paul Azinger ein, der 1993 auch daran erkrankt war und eineinhalb Jahre später wieder auf der US-Tour spielte. Mein erster Gedanke: Was Paul Azinger geschafft hat, das schaffst du auch!

Nachdem Prof. Schönemann auch Christina, die mittlerweile im Krankenzimmer war, über seinen Verdacht informiert hatte, schickte er uns in eine Klinik nach Wuppertal, wo mittels einer Sonde Gewebeproben aus meinem Brustraum entnommen wurden. Die dortigen Ärzte sagten dass wir innerhalb der nächsten acht Tage Gewissheit haben würden.

Am nächsten Tag stand ich wieder vor der Fernsehkamera. Zehn Tage später klingelt mein Handy in meinem Wohnwagen am Drehort in Köln. Prof. Schönemann informierte mich, dass der Eingriff nicht erfolgreich verlaufen sei und man nunmehr in seinem Krankenhaus eine Operation an den Tumoren, die sich im Schulter- und Hals-Bereich ausgebreitet hatten, vornehmen wolle.

Daraufhin teilte ich ihm mit, dass ich eine solche Operation nur von meinem Freund Dr. Gerhard Onnebrink machen lassen würde. Noch am selben Tag informierte ich somit meinen Freund über den Verdacht, dass ich an Krebs erkrankt sei.

Am nächsten drehfreien Tag, einem Samstag, fuhr ich wieder nach Schwerte. Gerhard teilte mir auf Grund seiner Untersuchung mit, dass diese Operation meine Arm-Schulter-Beweglichkeit so einschränken würde, dass ich damit nicht mehr vor der Kamera normal agieren könne, sodass die Operation um eine weitere Woche, bis nach Beendigung der Dreharbeiten, verschoben werden musste.

Sinnigerweise fiel mein Drehbuch-Tod in der Serie "Der Fahnder" genau in diese Woche. Einen Monat nach der ersten Diagnose wurde ich dann am 11. Dezember 1999 von Dr. Gerhard Onnebrink operiert.

Die Wahrheit. Am 14. Dezember rief mich Gerhard abends an und fragte, ob er noch auf einen Sprung vorbeikommen könnte. Eine Stunde später war er mit seiner Frau bei uns. Er kam die Treppe hoch, druckste herum und ich sagte zu ihm: "Die Gewebeprobe ist positiv, ich habe Krebs. Stimmt's?"

Er sagte: "Ja. Aber Du hast Glück im Unglück. Du hast Morbus Hodgkin, und nicht den Non Hodgkin, den wesentlich aggressiveren und schwerer zu therapierenden Lymphdrüsenkrebs."

Das war's also - endlich hatte ich Gewissheit, wenn auch eine schreckliche. Prof. Schönemann: "Als nächstes muss festgestellt werden, inwieweit die inneren Organe wie Leber oder Knochenmark befallen sind. In den nächsten acht Tagen wurden sowohl eine Leberpunktion als auch eine Knochenmarksentnahme vorgenommen. Beide Proben waren negativ. Mit allen Untersuchungsergebnissen wurde ich zur Uni-Klinik Köln geschickt, wo Prof. Volker Diehl, der führende Hodgkinologe Deutschlands, praktiziert.

Erste Ahnung. Ich saß zusammen mit Christina etwa eine Stunde im Wartezimmer, wo ich zum ersten Mal bewusst mit krebskranken Patienten konfrontiert wurde. Ich sah Menschen mit Glatzen, mit wachsbleicher Haut, Frauen, die Perücken trugen. Ich hatte eine erste Ahnung, was mich erwarten würde.

Irgendwann ertönte der Lautsprecher in diesem Wartezimmer, und eine Stimme sagte sehr laut: "Herr Lesch, bitte zu Herrn Dr. Staib". Etwa 20 Augenpaare folgten Christina und mir in das Sprechzimmer.

Schon da war mir klar, dass meine Krankheit nicht geheimzuhalten ist. Dr. Staib eröffnete Christina und mir in dem Beratungsgespräch folgende Fakten: Erstens, trotz meines Tumorstadiums 3 (Tumore an drei verschiedenen Stellen -Hals/Schulter, Brustbereich und Bauchbereich) lägen meine Heilungschancen bei 90 bis 95 Prozent, da die inneren Organe krebsfrei seien. Ich würde mich einer Chemotherapie unterziehen müssen, die acht Zyklen beinhaltet, und nach Beendigung dieser Chemotherapie dann noch einer Strahlentherapie. Die Folgen der Chemotherapie wären ein absoluter Haarverlust am ganzen Körper und eine mögliche Unfruchtbarkeit. Natürlich könne man entsprechende Samen einfrieren, wenn noch ein späterer Kinderwunsch vorhanden sei. Dies würde aber den Beginn der Chemotherapie um weitere Wochen verzögern. Christina und ich waren uns aber schon während des Gesprächs einig, dass jetzt schnellstens mit der Chemotherapie begonnen werden sollte, um keine weitere Zeit mehr zu verlieren.

Michael Lesch

Michael Lesch während
der Chemotherapie

Schwacher Trost. Am 22. Dezember begann meine erste Chemotherapie. Drei Tage lang bekam ich die verschiedensten Zellgifte intravenös verabreicht. So konnte ich immerhin Heilig Abend aus der Klinik entlassen werden und Weihnachten zu Hause verbringen. Eine Woche später begann der zweite Teil der Chemotherapie. Diesmal ambulant, wieder bekam ich Zellgifte intravenös verabreicht. Die nun folgenden zwei Wochen bedeuteten für mich jeden zweiten Tag Kontrolle meiner Blutwerte und jeden Tag Spritzen subkutan, um die durch die Chemo zerstörten weißen Blutkörperchen wieder aufzubauen.

"Diese Spritzen müssen Sie sich selber verabreichen", hieß es im Krankenhaus, "dafür haben wir keine Zeit."

Kaum zwei Wochen nach Beginn der Chemotherapie fielen mir bereits büschelweise die Haare aus, sodass ich kurzentschlossen zum Friseur gegenüber marschierte und mir eine Glatze schneiden ließ.

Boulevard-Presse. Parallel dazu hatte mich meine Ahnung im Wartezimmer der Uni-Klinik nicht getäuscht: Ein BILD-Zeitungs-Redakteur aus Köln konfrontierte Christina und mich damit, dass seine Zeitung Informationen bekommen hätte, ich sei an Krebs erkrankt. Damit war klar, dass Therapie und mögliche Heilung meiner Krankheit nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde. Eine weitere bittere Pille.

Bis zur dritten Chemotherapie versuchte ich ein normales Leben zu führen. Das heißt, ich ging auf den Golfplatz, wenn ich mich stark genug fühlte, und spielte neun Löcher - mehr schaffte ich nicht mehr, ging in die Sauna und schwamm, so lange ich konnte.
Den 4. Februar, ein strahlender Vorfrühlingstag, der Tag nach meiner dritten Chemotherapie, verbrachte ich auf dem Golfplatz und kam abends hungrig nach Hause. Nachdem Christina mir meine Lieblingsspagetti à la Bolognese gemacht hatte, bekam ich plötzlich starke Bauchschmerzen. Dazu ist zu sagen, dass ich vor etwa 15 Jahren bereits ähnliche Schmerzen hatte, damals lautete die Diagnose "Darmverschluss". Ich fuhr ins Krankenhaus, man untersuchte mich sofort, machte einen Einlauf, gab mir Abführzäpfchen und sagte mir, wenn keine Linderung eintreten würde, solle ich wiederkommen. Ich lag die ganze Nacht wach, die Schmerzen wurden immer schlimmer, und Christina fuhr mich morgens gegen sieben erneut ins Krankenhaus. Die Röntgen-Aufnahme bestätigte meine Ahnung - ich hatte erneut einen Darmverschluss. Als man mich in den OP schob, sagte ich zu Christina: "Schatz, ich habe zum ersten Mal Angst vor einer Operation!" Es war dies bereits meine 13. Operation.

Eineinhalb Tage später wachte ich auf der Intensiv-Station auf. Was war geschehen? Erstens: Man hatte vergessen, mir den Magen auszupumpen, sodass sich bei der Intubation der Narkose mein Mageninhalt in die Lunge ergossen hatte und diese zweimal "gewaschen" werden musste. Weiterhin musste der operierende Chirurg 20 cm Darm aufgrund des Narbengewebes entfernen und konnte den durch die Chemotherapie porösen Darm nicht mehr zusammennähen. Ein künstlicher Darmausgang wurde gelegt.

Christina teilte mir später mit, dass die behandelnden Ärzte ihr sagten, sollte ich innerhalb der ersten vier Tage auf der Intensivstation eine Infektion bekommen, würde ich diese nicht überleben!

Die Katastrophe. Bis zu diesem Tag hatte ich gegen meine Krankheit angekämpft, sie angenommen und nicht mit meinem Schicksal gehadert. Doch dieser künstliche Darmausgang ließ mich verzweifeln. Kein Golf mehr, keine Sauna mehr, kein Schwimmen mehr. Und Sex war schon lange kein Thema.

Verzweifelt, wie ich war, wollte ich die sofortige Zurückverlegung des Darmausgangs, selbst auf die Gefahr hin, den Erfolg der Chemotherapie in Frage zu stellen. In einem zweistündigen Gespräch zwischen Prof. Schönemann, Christina und mir waren es letztlich die Tränen von Christina, die mich umstimmten.

Ich akzeptierte das neue Leben! Das hieß: Bett, Toilette, Tisch, Krankenhaus. Am schlimmsten waren die Nächte: drei bis fünfmal die Nacht füllte sich der Beutel an meiner Hüfte, immer wieder musste, ich nachts aufstehen und ihn leeren. Schlafen war nur mit schwersten Tabletten stundenweise möglich.

Nach der vierten Chemotherapie wurde eine erste Zwischenuntersuchung gemacht, und endlich hatten Christina und ich Grund zur Freude: Alle Krebs-Tumore waren zusammengeschmolzen, bis auf ein, zwei kleinere Lymphknoten.

Gewichtsverlust. Aber auf Sonne folgt in der Regel auch wieder Regen. Ein Aspekt der Chemotherapie ist, dass man Gewicht verliert. Die Dosierung der Zellgifte hängt unter anderem mit dem Körpergewicht des Patienten zusammen. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt etwa zwölf Kilo verloren, unglücklicherweise hatten dies die mich behandelten Ärzte aber nicht registriert. Das Ergebnis: Die fünfte Chemo war zu stark, ich bekam eine toxische Vergiftung. Sämtliche Schleimhäute meines Körpers existierten nicht mehr. Das heißt, meine Zuge war rohes Fleisch, ebenso mein Magen. Die Schmerzen, die ich hatte, waren über einen Zeitraum von fünf Tagen fast unerträglich. Gleichzeitig war natürlich mein Immunsystem zusammengebrochen und jeder kleine Infekt hätte zum Tode fuhren können. Doch auch diese Komplikation überlebte ich und nach der achten Chemotherapie kam es zur Abschlussuntersuchung: Alle Tumore waren nur noch als Narbengewebe im Computertomographen sichtbar.
Trotzdem, und um ganz auf Nummer sicher zu gehen, unterzog ich mich noch einer Strahlentherapie, um auszuschließen, dass irgendwo auch nur eine Krebszelle überlebt hätte.

Rückschlag. Da der bestrahlte Bereich auch die Speiseröhre einschloss, war nach ungefähr der neun ten Bestrahlung erneut die Schleimhaut der Speiseröhre kaputt Die folgenden drei Wochen konnte ich nur Suppe löffeln.

Der 18. Juli war für ich der Tag der Erlösung. Nach Chemotherapie und Strahlentherapie konnte nun endlich mein Darm-Ausgang zurückverlegt werden. Die Operation verlief ohne Komplikationen, die Wunde heilte gut ab, nur die Lungenentzündung, die ich nach drei Tagen bekam, war nicht eingeplant. Doch nach acht Tagen hatte ich auch das überstanden.

Am 5. August fuhr ich in die St. Wolfgang-Klinik nach Bad Griesbach. Diese Klinik hatte mir ein Golfer empfohlen, und ich rief meinen Freund Alois Hartl an, der mir bestätigte, dass ich dort in guten Händen sei. Meinen körperlichen Zustand kommentierte der Leiter der Klinik, Dr. Helmut Philippi (Hcp 21), nachdem ich den Ergometer-Test absolviert hatte, mit "Herr Lesch, Sie haben da ein Problem..." Worauf ich erwiderte: "Deswegen bin ich ja hier."

Ich war körperlich ein Wrack. Ich hatte in beiden Beinen Wasser, mein Hämoglobin-Wert lag bei 7,8 (normal wäre 14 bis 18), und der Ergometer-Test hatte eine Herz-Puls-Frequenz von 174 Schlägen nach sechs Minuten Belastung ergeben.

Michael Lesch mit seiner Frau Christina

Michael Lesch mit seiner
Frau Christina, die er nach
der Therapie heiratete.

Ich war körperlich ein Wrack. Ich hatte in beiden Beinen Wasser, mein Hämoglobin-Wert lag bei 7,8 (normal wäre 14 bis 18), und der Ergometer-Test hatte eine Herz-Puls-Frequenz von 174 Schlägen nach sechs Minuten Belastung ergeben.

Happy End. Ende September war die erste Krebs-Nachsorge - Untersuchung. Das Ergebnis war negativ, und Christina und ich fuhren zur Belohnung für zwei Wochen nach Agadir in die Sonne. Und natürlich zum Golfspielen.

Monate vorher schon hatte ich uns für die Vila Vita Open 2000 angemeldet, und so flogen wir dann Anfang November nach Portugal.

Es war schon dunkel, als uns das Taxi abends vor dem Vila Vita Park-Hotel vorfuhr, und Christina zu mir sagte: "Weißt du noch, Liebling, vor einem Jahr sind wir hier auch gewesen. Und 14 Tage später hatten wir die Hiobs-Botschaft von deinem Krebs." Meine Antwort: "Ja, es ist kaum zu glauben, aber es ist wahr. Ich bin wieder gesund."

© 2001 G.O.L.F.-TIME, Fotos: dpa, T&T, Ullstein

Michael Lesch hat auch ein Buch über seinen Kampf gegen Morbus Hodgkin mit dem Titel "Ein Jahr Hölle. So besiegte ich den Krebs" geschrieben. Mehr hier.

 
Axels Morbus Hodgkin Seite - Stand: 31.08.2016 - E-Mail: axel@hodgkin-info.de